Als Deutschland noch nicht Deutschland war (www.boox.bz) by Bruno Preisendörfer
Autor:Bruno Preisendörfer [Preisendörfer, Bruno]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-462-30914-0
Herausgeber: Kiepenheuer & Witsch Verlag
veröffentlicht: 2015-04-16T16:00:00+00:00
»Wo Arbeiten gemacht werden,
wozu man Feuer gebraucht«
Kurzer Blick in die Küche
Spargel soll man nicht in Eisenpfannen garen, er wird sonst schwarz. »Hat man Casserolle oder anderes Kupfergeschirr«, rät Maria Anna Neudecker in einem ihrer weitverbreiteten Kochbücher, »so ist besonders darauf zu sehen, daß selbige immer gut verzinnt sind; denn in traurigen Beispielen erzählt uns die Erfahrung, wie höchst nachtheilig das Kupfer der menschlichen Gesundheit sey«. Der Zinn wiederum hat den Nachteil, dass er über dem Feuer leicht schmilzt. Außerdem soll man in Zinngefäßen wie in solchen aus Messing keine Speisen aufbewahren, schon gar kein Obst. Gabeln und Löffel aus Zinn waren jedoch gängig, jedenfalls in einfachen Haushalten und beim Gesinde.
Am besten kocht man mit eisernem und irdenem Geschirr und serviert in ›Porcelain‹ oder Steingut. Das Porzellan musste nicht unbedingt aus dem sächsischen Meißen kommen oder aus der Königlich Preußischen Porzellanmanufaktur, man konnte sich genauso gut an das der Fürstenberger Manufaktur bei Braunschweig halten, seit 1753 (und bis heute) geziert mit einem F, oder an das aus Thüringen, erfunden von Georg Heinrich Macheleid und seit 1762 in Volkstedt produziert.
Porzellan und Gläser standen in Schränken, Alltagsgeschirr fand auf offenen Tellerbrettern Platz, die Pfannen, Kessel und Kasserollen hingen griffbereit an Haken rund um die Feuerstelle. In einem viereckigen oder halbrunden Holzgefäß mit Deckel wurde das Salz zum Kochen aufbewahrt. Auf den Tisch stellte man es in kleineren Fässchen aus Metall, Glas oder Porzellan. Weitere Utensilien waren in gut ausgestatteten Haushalten in beeindruckend geräumigen Speisekammern untergebracht, wie bei BoieHinweis: »Die Speisekammer hat rund herum Börte, an einer Seite einen großen Tisch mit einem Schrank darunter, an der andern einen noch größern mit 16 großen Schiebladen, und dem gegenüber einen Gewürzschrank mit vielen großen und kleinen Schiebladen. Über dem großen Tisch hängt die Waage.«
Der Herd selbst war in guten Häusern aus Stein gemauert, verfügte über eine eiserne Platte und wurde mit Holz oder Kohle befeuert. Der Rauchabzug war aus Holz und innen wegen der Brandgefahr mit Lehm ausgekleidet. Beim Kochen über offenem Feuer hingen die Kessel an Haken oder standen auf dreibeinigen Gestellen, ganz wie in der Hexenküche von Goethes Faust. In der Regieanweisung zur Szene heißt es: »Auf einem niedrigen Herde steht ein großer Kessel über dem Feuer.«
Ein gemauerter Herd mit eiserner Platte in einem gut ausgestatteten, ausschließlich dem Kochen vorbehaltenen Küchenraum, der allenfalls noch dem Gesindetisch Platz bot, bewies bürgerliche Wohlhabenheit. In den Städten hatten diese Küchenräume meistens auch Schüttsteine für das Abwasser. Das gebrauchte Wasser floss durch Röhren hinaus zur Straße. Das verbesserte die Hygiene im Haus und verschlechterte sie davor.
Welche Rolle der ›heimische Herd‹ in einer Familie spielte, hing davon ab, welche Rolle ihrerseits die Familie im Sozialen spielte. Die Wichtigkeit des Küchenraums für das Leben der Menschen stand in umgekehrtem Verhältnis zur Wichtigkeit dieser Menschen in Gesellschaft und Staat. In den untersten Schichten war der Ort, an dem gekocht wurde (und der mitunter den Namen ›Küche‹ kaum verdiente), der wichtigste, mitunter der einzige Wohnraum, in dem auch die Schlafstellen untergebracht waren. In den obersten Schichten war die Küche der Ort,
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